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Was, wenn Gott eine Flasche wäre!?
24. November 2022 | Refresh | von Maike (25)
Weshalb hast Du diesen Artikel angeklickt? Findest Du die Headline so provokant, dass Dich interessiert, wer dahintersteckt? Oder suchst Du selbst vielleicht nach Denkanstößen, wer oder was Gott eigentlich ist?
Diese wunderbar provokante Überschrift ist nicht mein eigenes Werk. Ich hatte in der Oberstufe einen Mitschüler, der durch seine Autismusspektrumsstörung eine wahnsinnige Inselbegabung für Mathematik, Physik und Chemie hatte und für den die Wissenschaft mit Erklärungen und Beweisen die einzig zulässigen Argumente in einer Debatte liefert. Da wir allerdings ein kirchliches Gymnasium besuchten und dort mindestens zwei Stunden in der Woche Religionsunterricht hatten, sorgte diese Grundkonstellation natürlich für Reibungen. So ließ sich der besagte Mitschüler im Unterricht immer wieder auf Diskussionen mit unserer Lehrerin oder auch anderen Schüler*innen ein. Es gab für ihn keinerlei sinnvolle und schlagkräftige Beweise für die Existenz eines Gottes und somit stand für ihn auch gar nicht erst zur Debatte, ob man an einen Gott glauben sollte.
Einmal meldete er sich wieder zu Wort und eröffnete uns, dass er sich daheim seine Gedanken gemacht hat und nun doch ein wenig versteht, warum manche Menschen an einen Gott glauben würden. Es sei ja einfach schön zu wissen, dass da etwas ist, auf das man sich verlassen könne. Aber, so wandte er ein, müsse Gott ja nicht unbedingt ein Lebewesen sein. Er könnte doch genauso gut ein Gegenstand sein, dem man besondere Macht und Kraft zuspricht. Und so stellte er sich in einem von ihm vorbereiteten Kurzvortrag vor den Kurs und fragte uns: „Was, wenn Gott eine Flasche wäre?“
Ja und dann saßen wir alle da, völlig perplex darüber, dass er womöglich gar nicht so unrecht hat. Die Frage ist zumindest doch sehr berechtigt. Wer oder was ist denn Gott? Ist es der Bilderbuch Gott: ein weißhaariger Mann auf einer Wolke? Ist es vielleicht ein Licht, was über Allem schwebt? Was ist denn Gott? Was ist Gott für Dich?
Brauchen wir denn eigentlich ein Bild von dem, an das wir glauben? In den 10 Geboten steht ja eigentlich, dass wir uns kein Bild von Gott machen sollen. Wenn dem so ist, dann finde ich aber Begriffe wie „Vater“, „Hand Gottes“ etc. doch ganz schön suggestiv. Worher kommt denn die Vorstellung vom Bilderbuchgott, wenn nicht von der sprachlichen Beschreibung, die dann wohl doch männlich konnotiert ist, oder?
Für mich ist Gott kein Mann, der über alle wacht. Das Bild der schützenden Hände über der Welt oder über mir und meinen Lieben, hilft mir sehr, an das Gute zu glauben, trotz der schweren Zeiten. Jedoch ist es für mich nicht unbedingt die menschliche Hand, sondern vielmehr nur das Bild dessen, dass da etwas ist. Es muss nichts Menschliches sein und auch nicht zwingend etwas Greifbares. –>
Für mich ist das Wort „Gott“ vielmehr ein Abstraktum für das, was uns als Menschen, die glauben, verbindet – unabhängig davon, an was genau wir glauben. Es ist das Gefühl von Gemeinsamkeit, von Zusammenhalt und die Gemeinschaft. Es ist das, worauf es für mich ankommt im Leben. Das Miteinander und die Einigkeit darüber, dass wir in Frieden leben wollen. Vielleicht ist das manchen zu unkonkret, aber liegt nicht genau darin die grundsätzliche Herausforderung: Dass wir das Ungreifbare, das Göttliche eben auch mit Worten nicht beschreiben können.
Abwegig denken, kann einem manchmal die eigene Abwegigkeit aufzeigen. So trifft der Kurzvortrag meines Mitschülers doch den Kern der Sache: Mit den unterschiedlichsten Menschen diskutieren wir darüber, wer Gott für uns ist. Dass es kein Richtig oder Falsch geben wird und auch keine Antwort, die für alle gültig ist, ist glaube ich klar. Wenn wir uns von unseren unbewusst verankerten Bildern lösen, kommen wir dann womöglich zu der Erkenntnis, dass unserem Glauben der gleiche Nenner zugrundeliegt? Könnten wir, wenn wir die kulturell vorgeprägten Gottesbilder abstreifen würden, am Ende womöglich alle zusammen um eine Flasche herumsitzen, von der wir glauben, dass von ihr Macht, Sicherheit und Frieden ausgeht. Vielleicht ist die Flasche gefüllt mit Mitgefühl und Verständnis… Das werden wir so wenig herausfinden wie ob Gott nun wirklich ein „Vater“ ist.
Das mit der Flasche wäre auf jeden Fall mal ein interessanter Stoff für einen Disneyfilm über Glauben, denn der Gedanke ist eben nicht so abwegig und würde vielleicht sogar ein paar Konflikte lösen.
Maike (25)