#munichchurchrefresh
Der Blog
Dieser Jesus und die Auferstehung
6. April 2023 | Refresh | von Rahel Pereira
Wenn ich einen Berggipfel erklommen habe, liebe ich den Blick über grüne Wiesen, Kühe, Seen und Weite – soweit das Auge reicht. Oder wenn sich vor mir ein mächtiger Gletscher auftut. Das Shirt verschwitzt, aber mein Zustand: voll mit Adrenalin und glücklich. Oder wenn ich am Strand stehe. Die salzige Luft weht mir um die Nase. Ich schließ die Augen. Sonne scheint mir ins Gesicht. In solchen Momenten – da fällt es mir oft leicht an Gott zu glauben. Ich staune über die wunderbare Welt. Stell mir vor, dass da was wirklich dahintersteckt. Irgendjemand hat sich das ausgedacht. Und sich dann munter ans Werk gemacht.
Was ich auch mag, sind viele Jesusgeschichten. Jesus, der mit wirklich allen abhängt. Vor allem mit denen, die es richtig brauchen. Der Frauen auf Augenhöhe begegnet. Gerade mit denen, die von allen abgeschrieben wurden. Manchmal denk ich mir, ich mein, wer mag Jesus nicht. Immer die richtige Antwort im Reliunterricht; und man kann einiges gut an ihm finden: Jesus der Streethippie, Jesus der Wanderfreak, Jesus der Revoluzzer (siehe Şeyda Kurt für Die ZEIT), Jesus Mutter Theresa, Jesus Friedensheld. Also im Großen und Ganzen ein ziemlich inspirierender Mensch. Der dann zwischen die Machtdynamiken seiner Zeit gerät und zur Todesstrafe verurteilt wird. Tragisch, aber ja, ich meine dieses Schicksal und schlimmere teilt er mit vielen Menschen, die auf dieser Welt gelebt haben.
Und dann ist da eben noch dieses Ding mit Ostern, die Auferstehung. Puh.
Eine Freundin fragte mich neulich: „Sag mal, glaubst du wirklich an die Auferstehung?“ Ich musste nachdenken. Sie sagt zu mir: „Ich kann nicht wirklich an die Auferstehung glauben. Also maximal vielleicht im Sinne von einer Metapher, das vielleicht schon.“ Ich frage sie: „Wie meinst du das?” „Naja, ich weiß auch nicht so genau. Irgendwie als Sinnbild dafür, dass da was Neues entsteht. Oder dass das, wofür Jesus steht, eben unsterblich ist, weiterlebt. Dass es mehr gibt auf dieser Welt als uns und unsere körperlichen Hüllen. Etwas, das uns irgendwie auch übersteigt. Das unser Leben prägen kann. An das Gute glauben. Sinn im Leben erfahren. Wissen wo man hingehört.“
Da wo ich herkomme, war völlig klar, die Auferstehung überhaupt nicht infrage zu stellen. Sie wurde selbstverständlich hingenommen und vehement verteidigt. Wenn Jesus nicht von den Toten auferweckt wurde, was soll dann der ganze Gotteskram und so. Dann wären wir ja einer Gruppe von Täuschern aufgesessen – die behaupten, er wärs gewesen (Gott!), aber er wars in Wirklichkeit nicht. Also: Hop oder Top. Und wir in der Familie waren natürlich Team „Top“. Es gab quasi nicht so richtig Alternativen zum „einen Glauben“. Lange hat mich das auch nicht gestört, ich bin halt so aufgewachsen. Und ich hab da glaube ich auch was Gutes mitbekommen: Eine Art ahnungsloses Vertrauen, dass diese Sache mit Gott was Tiefes und Großes sein könnte.
Irgendwann merkte ich: Es ist wichtig, dass ich mich mit Glaubensinhalten selbst verbinden kann. Das bedeutet nicht, dass ich „alles verstehe“, „alles hinnehme“, im Gegenteil. Sich verbinden kann auch heißen: sich distanzieren, Abstand nehmen. Mir einzugestehen, dass ich es nicht checke, vielleicht nicht einmal glaube.
Sich mit Glaubensdingen zu verbinden heißt für mich heute, ehrlich zu mir selbst und anderen zu sein. Zuzugeben, dass ich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang suchen werde, wo es lang geht oder wie gutes Leben geht. Mir einzugestehen, dass ich womöglich keinen Plan habe, wie ich so’n Ding wie die Auferstehung für mich füllen soll. Irgendwann zu akzeptieren, dass das vielleicht auch nicht so schlimm ist. Und dann versuche ich mich neu damit zu verbinden. Indem ich mich damit auseinandersetze, was man sich so alles drüber erzählt (hat). Auf diesen Prozess klarzukommen – dafür hab ich ne ganze Weile gebraucht.
Seither gehe ich einen Weg, den ich als spannend und in Teilen auch als schmerzhaft beschreiben würde. Schmerzhaft, weil ich Stück für Stück ‚vermeintliche‘, weil ich würde sagen ‚unverbundene‘ Gewissheiten hinter mir lasse. Schmerzhaft, weil ich heute manchmal viel weniger weiß, was richtig ist, wo ich stehe und wo es hingehen soll, als damals noch. Spannend, weil ich irgendwann realisiere: Ich kann gemeinsam mit anderen so viel über Gott und die Welt entdecken! Und dabei vielleicht Stück für Stück ein bisschen mehr ‚ich‘ werden.
Ob ich denn an die Auferstehung glaube, fragt mich meine Freundin.
– Hm. Ich glaub schon. Aber ich glaube, wir denken im Grunde genommen ziemlich ähnlich. Du hast ja von der Auferstehung als Metapher gesprochen. Ich glaube, ‚Metapher‘ ist ein guter Begriff für diese Sache. Weil eine Metapher versucht eine komplexe Realität in Worte zu fassen. –>
Und es ist eben nicht so, dass man eine Metapher auch einfach in andere Worte fassen kann, die dann genau dasselbe ausdrücken. Man kann versuchen, in anderen Worten verschiedene Aspekte eines Geschehens, also: einer Metapher, zu beschreiben. Aber es trifft nie genau alles das, was eine Metapher eben ausdrückt.
Ich stell mir das mit der Auferstehung und meinem Leben dann irgendwie so vor: Die Geisteskraft, Jesus von den Toten auferweckt hat, bewegt auch mein Leben. Die Geisteskraft gibt mir Auftrieb, verbindet mich mit mir selbst und anderen Menschen, hinterfragt mich, lässt mich Liebeslust und Lebensglück erfahren. Ist bei mir, wenn ich nicht weiß wohin mit mir. Sieht mich, wenn ich das Gefühl habe, niemand sieht mich. Und ich glaube: Das ist die Geisteskraft, durch die mein Leben nicht verloren geht, wenn es hier mal zu Ende ist. Ich bin gut aufgehoben und mein Dasein kriegt irgendwann, irgendwie mal noch eine neue Form. Ohne den ganzen Ballast, den ich hier in meinem Leben mit mir rumtrage.
Und dann ist da diese scary-Seite von der Auferstehung. Dieses ich checks nicht und es macht irgendwie keinen Sinn. Ich habe eine Geisteswissenschaft studiert und bin – wie man das eben in Deutschland so ist – von einem aufklärerischen Denken geprägt. Mein kritischer Blick und mein kultureller Lebensraum lässt mich heute schon misstrauisch sein gegenüber so spooky unbelievable Kram.
Das Gute ist: Ich bin damit sozusagen in bester Gesellschaft. Die Bibel berichtet: Keiner hat sie gesehen, die Auferstehung. Und die drei Frauen (!), die als erstes den auferstandenen Jesus auf dem Friedhof sehen, erkennen ihn erstens nicht (sie denken zuerst, er sei der Friedhofsgärtner); zweitens, als sie es checken, rasten sie aus und hauen erstmal wieder ab. Weil sie mega Angst haben! Weil es so seltsam ist! Die Auferstehung, dieses Ding, die Metapher ist zu wuchtig, zu groß, als dass wir offenbar so richtig drauf klarkommen können. Ein heiliger Moment. Faszinierend, aber uns auch entzogen. Kontrollverlust pur. Sie übersteigt, was wir fassen können. Die Metapher lässt sich nicht vollständig erklären, vielleicht am ehesten fühlen. Dass da was passiert. Dass es weiter geht. Angst haben und hoffen, dass alles schon wird, sind hier so eng miteinander verbunden. Ein bisschen, wie wenn man bei einer OP sein Leben anderen Menschen anvertraut.
Vielleicht ist „glauben“ sowas ähnliches. Schwer fassbar und doch irgendwie real. Weil es mein ganzes Leben betrifft. Weil es das Leben verändern kann. Unfassbar gut und eben auch ganz schön scary.
Ich glaube, ‚glauben‘ macht einen Unterschied in meinem Leben. Und was ist ‚glauben‘ anderes als eine Metapher für ‚es Gott abnehmen, dass er kann‘. Kann und auch macht. Ich meine damit: Menschen neue Hoffnung geben. Verwundete Seelen liebevoll verbinden, Körper behutsam heilen (lassen). Unermüdlich Menschen motivieren, dran zu bleiben: im Sich Selbst Ernstnehmen und anderen Gutes tun. Einüben, den anderen Gutes zu unterstellen. Anderen und sich selbst vertrauen. Gott vertrauen. Und… Tote zum Leben erwecken.
Ich erlebe Gott nicht ständig. Aber ich glaube hin und wieder. Wenn ich mich traue und meinen dunkelsten Seelenscheiß auskippe. Und Worte mich wieder aufrichten. Wenn ich das Gefühl hab: Zu viele Baustellen in meinem Leben – und dann hilft mir jemand, den nächsten Babystep zu finden. Wenn ich merke: Scheiße, schon wieder verbockt! Und dann finde ich kurz ein bisschen Selbstachtung und denke mutig von mir: Probiers wieder!
Und auch wenn es im Leben flowed und es einfach gerade richtig schön ist. Zum Beispiel auf einem Berggipfel. Oder auf ner guten Party. Ich denke mir: Wahrscheinlich spüre ich Gott nicht ständig, weil er einfach die ganze Zeit mit mir ist. Wie mein Atem.
Rahel Pereira
This Jesus and his ressurection
6. April 2023 | Refresh | by Rahel Pereira
As I climb a mountain peak, I love the view over green meadows, cows, lakes and the vastness — as far as the eye can see. Likewise, the mighty glacier opening up right in front of me. The shirt is sweaty, but my body is full of adrenaline and I am happy. As I stand on the beach, the salty air blows around my nose. I close my eyes. The sun shines on my face. In such moments — it is often easy for me to believe in God. I marvel at the wonderful world. I imagine that there is something really behind it. Someone has thought it all up. Then merrily set to work on it.
I also like the many stories about Jesus. Jesus, who really hangs out with everyone. Especially with those, who really need it. Jesus, who meets women at eye level. Especially meeting those, who have been rejected by everyone else. Sometimes I think to myself, I mean, who doesn’t like Jesus? Always the right answer in religion classes; and you can find so many good things about him: Jesus the Street Hippie, Jesus the Travel Lover, Jesus the Revolutionary (see Şeyda Kurt in “Die ZEIT” magazine), Jesus Mother Theresa, Jesus Peace Hero. Hence, a pretty inspiring person. He then gets caught between the power dynamics of his time and is sentenced to the death penalty. Tragic, but yes, a fate he shared with many people, who have lived in this world.
Then there is just this thing about Easter: The resurrection. Phew.
A friend asked me the other day, “Tell me, do you really believe in the resurrection?” I had to think. She then continued, “I can’t really believe in the resurrection. Maybe in the sense of a metaphor at most. That, I may be able to believe.” I ask her, “What do you mean?” Then she answers: “Well, I don’t really know either. Somehow as a symbol that something new is coming into being. Or that what Jesus stands for is immortal, lives on. That there is more in this world than us and our physical shells. Something that somehow transcends us. That can shape our lives. Believe in the good. Experiencing the meaning of life. Knowing where you belong.”
Where I came from, it was quite clear not to question the resurrection at all. The resurrection was obvious, self-evident and fervently defended. If Jesus was not raised from the dead, then what was all this God stuff about? If it did not happen, then we had fallen for a group of deceivers. Fallen for people, who claimed that Jesus was (God!), but actually he really wasn’t. Either you were in or you were out. Our family of course were ‘in’. There were not really alternatives to the “one true faith”. For a long time that didn’t bother me, I just grew up that way. And I think I also got something good out of it: A kind of a strong trust that this thing with God could be something deep and great.
At some point I realized that it is important to personally connect with the things of faith. This does not mean that I “understand everything”, “accept everything.” On the contrary, to connect can also mean to distance oneself, to take a step back. Admitting to myself that I don’t understand. Admitting that perhaps, I may not even believe.
For me, connecting the things of faith today means being honest with myself and with others. Admitting that I will probably spend my whole life trying to understand it. Trying to figure it out. Trying to comprehend our purpose. To admit to myself that I may not fully understand the meaning of the resurrection. To accept at some point that maybe it is not so bad not to fully understand it either. And then still I try to connect with it. By dealing with what people (have) told each other about it. It took me quite a while to accept this process.
Since then, I’ve been walking on a path that I would describe as exciting and in parts also as painful. Painful, because step by step I leave behind ’supposed’ certainties. ‘Certainties’ that I perhaps never really connected with. Painful, because compared to back then, I now have more uncertainties on what is right, where I should stand and where I should go. Exciting, because I realize that together with those around me, I can discover so much more about God and the world! And maybe, bit by bit, I can become a little bit more ‘me’.
My friend asked me if I believe in the resurrection.
- “Hm. I think so. But I think we think basically quite alike. You talked about resurrection as a metaphor. I think ‘metaphor’ is a good term for this. Because a metaphor tries to put a complex reality into words.” ->
It is just not quite possible to simply use other words to express the exact meaning of a metaphor. We can try to describe different aspects of an event with other words, that is: to explain a metaphor. But the words never quite hit exactly everything what a metaphor expresses.
I picture the resurrection and my life in this way: The spiritual power that raised Jesus from the dead also moves my life. The spiritual power gives me a boost, connects me with myself and other people, questions me, lets me experience the joy of love and happiness in life. It is with me when I don’t know where to go with myself. Sees me when I have the feeling that nobody sees me. And I believe: This is the spiritual power in which my life will not be lost when it ends on this earth. I am well taken care of and my existence will get a new form. At some time, Somehow. Without all the burden that I carry around with me here in my life.
And then there is as well the scary, spooky side of the resurrection. This I don’t understand and somehow doesn’t make sense. I studied humanities in Germany — I am influenced by the Enlightenment and its way of thinking. My critical view and my cultural habitat make me already today suspicious of such a spooky unbelievable topic.
The good thing is: I am not alone on this spookiness. The Bible tells us that no one has seen the resurrection. The three women (!) who first see the resurrected Jesus in the cemetery, first don’t recognize Jesus (they think he is the cemetery gardener); second, when they figure it out, they freak out and run away. They are super scared! Because it’s so weird! The resurrection, this thing, the ‘metaphor’ and its meaning is too massive. Too big for us to be able to deal with it. A sacred moment. Fascinating, but also withdrawn from us. Pure loss of control. It exceeds what we can grasp. The ‘metaphor’ cannot be fully explained, perhaps it is best felt. That something is happening. That it goes on. ‘Being afraid’ and ‘hoping that everything will be okay’ are so closely connected. A bit like when you entrust your life to other people during a surgery.
Maybe ‘believing’ is something similar. Elusive and yet somehow real. Because it effects my whole life. Because it can change your life. Incredibly good and also quite scary.
I think ‘believing’ makes a difference in my life. What is ‘believing’ but a metaphor to let ‘God take control because He can.’ Can and does. What I mean by that is: Giving people new hope. Connecting wounded souls with love, gently healing bodies. Tirelessly motivating people to keep at it: to take themselves seriously and to do good to others. Practicing to do good to others. Trusting others and oneself. Trusting God. And… raising the dead to life.
I do not experience God all the time. But I believe now and again. When I manage to open up and bring before God all the darkest things out of my soul. And words lift me up again. When I have the feeling that there are too many construction sites in my life — and then someone helps me to find the next baby step. When I realize: Oh no, screwed up again! And then I briefly find a bit more of self-respect and think courageously of myself: Try again!
And also, when life is flowing and everything is just really nice. For example, like on a mountain top. Or at a good party. I think to myself: I probably don’t feel God all the time, because He is just with me all the time. Like my breath.
Rahel Pereira