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Dieser Jesus und die Auferstehung

10. Novem­ber 2022   |   Refresh  |  von Rahel Pereira

Wenn ich einen Berg­gip­fel erklom­men habe, liebe ich den Blick über grüne Wiesen, Kühe, Seen und Weite – soweit das Auge reicht. Oder wenn sich vor mir ein mäch­ti­ger Glet­scher auftut. Das Shirt verschwitzt, aber mein Zustand: voll mit Adre­na­lin und glück­lich. Oder wenn ich am Strand stehe. Die salzi­ge Luft weht mir um die Nase. Ich schließ die Augen. Sonne scheint mir ins Gesicht. In solchen Momen­ten – da fällt es mir oft leicht an Gott zu glau­ben. Ich stau­ne über die wunder­ba­re Welt. Stell mir vor, dass da was wirk­lich dahin­ter­steckt. Irgend­je­mand hat sich das ausge­dacht. Und sich dann munter ans Werk gemacht.

Was ich auch mag, sind viele Jesus­ge­schich­ten. Jesus, der mit wirk­lich allen abhängt. Vor allem mit denen, die es rich­tig brau­chen. Der Frau­en auf Augen­hö­he begeg­net. Gera­de mit denen, die von allen abge­schrie­ben wurden. Manch­mal denk ich mir, ich mein, wer mag Jesus nicht. Immer die rich­ti­ge Antwort im Reli­un­ter­richt; und man kann eini­ges gut an ihm finden: Jesus der Streethip­pie, Jesus der Wander­freak, Jesus der Revo­luz­zer (siehe Şeyda Kurt für Die ZEIT), Jesus Mutter There­sa, Jesus Frie­dens­held. Also im Großen und Ganzen ein ziem­lich inspi­rie­ren­der Mensch. Der dann zwischen die Macht­dy­na­mi­ken seiner Zeit gerät und zur Todes­stra­fe verur­teilt wird. Tragisch, aber ja, ich meine dieses Schick­sal und schlim­me­re teilt er mit vielen Menschen, die auf dieser Welt gelebt haben.

Und dann ist da eben noch dieses Ding mit Ostern, die Aufer­ste­hung. Puh.

Eine Freun­din frag­te mich neulich: „Sag mal, glaubst du wirk­lich an die Aufer­ste­hung?“ Ich muss­te nach­den­ken. Sie sagt zu mir: „Ich kann nicht wirk­lich an die Aufer­ste­hung glau­ben. Also maxi­mal viel­leicht im Sinne von einer Meta­pher, das viel­leicht schon.“ Ich frage sie: „Wie meinst du das? Naja, ich weiß auch nicht so genau. Irgend­wie als Sinn­bild dafür, dass da was Neues entsteht. Oder dass das, wofür Jesus steht, eben unsterb­lich ist, weiter­lebt. Dass es mehr gibt auf dieser Welt als uns und unse­re körper­li­chen Hüllen. Etwas, das uns irgend­wie auch über­steigt. Das unser Leben prägen kann. An das Gute glau­ben. Sinn im Leben erfah­ren. Wissen wo man hingehört.“

Da wo ich herkom­me, war völlig klar, die Aufer­ste­hung über­haupt nicht infra­ge zu stel­len. Sie wurde selbst­ver­ständ­lich hinge­nom­men und vehe­ment vertei­digt. Wenn Jesus nicht von den Toten aufer­weckt wurde, was soll dann der ganze Gottes­kram und so. Dann wären wir ja einer Grup­pe von Täuschern aufge­ses­sen – die behaup­ten, er wärs gewe­sen (Gott!), aber er wars in Wirk­lich­keit nicht. Also: Hop oder Top. Und wir in der Fami­lie waren natür­lich Team „Top“. Es gab quasi nicht so rich­tig Alter­na­ti­ven zum „einen Glau­ben“. Lange hat mich das auch nicht gestört, ich bin halt so aufge­wach­sen. Und ich hab da glau­be ich auch was Gutes mitbe­kom­men: Eine Art ahnungs­lo­ses Vertrau­en, dass diese Sache mit Gott was Tiefes und Großes sein könnte.

Irgend­wann merk­te ich: Es ist wich­tig, dass ich mich mit Glau­bens­in­hal­ten selbst verbin­den kann. Das bedeu­tet nicht, dass ich „alles verste­he“, „alles hinneh­me“, im Gegen­teil. Sich verbin­den kann auch heißen: sich distan­zie­ren, Abstand nehmen. Mir einzu­ge­ste­hen, dass ich es nicht checke, viel­leicht nicht einmal glaube.

Sich mit Glau­bens­din­gen zu verbin­den heißt für mich heute, ehrlich zu mir selbst und ande­ren zu sein. Zuzu­ge­ben, dass ich wahr­schein­lich mein ganzes Leben lang suchen werde, wo es lang geht oder wie gutes Leben geht. Mir einzu­ge­ste­hen, dass ich womög­lich keinen Plan habe, wie ich so’n Ding wie die Aufer­ste­hung für mich füllen soll. Irgend­wann zu akzep­tie­ren, dass das viel­leicht auch nicht so schlimm ist. Und dann versu­che ich mich neu damit zu verbin­den. Indem ich mich damit ausein­an­der­set­ze, was man sich so alles drüber erzählt (hat). Auf diesen Prozess klar­zu­kom­men – dafür hab ich ne ganze Weile gebraucht.

Seit­her gehe ich einen Weg, den ich als span­nend und in Teilen auch als schmerz­haft beschrei­ben würde. Schmerz­haft, weil ich Stück für Stück ‚vermeint­li­che‘, weil ich würde sagen ‚unver­bun­de­ne‘ Gewiss­hei­ten hinter mir lasse. Schmerz­haft, weil ich heute manch­mal viel weni­ger weiß, was rich­tig ist, wo ich stehe und wo es hinge­hen soll, als damals noch. Span­nend, weil ich irgend­wann reali­sie­re: Ich kann gemein­sam mit ande­ren so viel über Gott und die Welt entde­cken! Und dabei viel­leicht Stück für Stück ein biss­chen mehr ‚ich‘ werden.

Ob ich denn an die Aufer­ste­hung glau­be, fragt mich meine Freundin.

– Hm. Ich glaub schon. Aber ich glau­be, wir denken im Grun­de genom­men ziem­lich ähnlich. Du hast ja von der Aufer­ste­hung als Meta­pher gespro­chen. Ich glau­be, ‚Meta­pher‘ ist ein guter Begriff für diese Sache. Weil eine Meta­pher versucht eine komple­xe Reali­tät in Worte zu fassen. –>

Dieser Jesus und die Auferstehung | Blogbeitrag #munichchurchrefresh

Und es ist eben nicht so, dass man eine Meta­pher auch einfach in ande­re Worte fassen kann, die dann genau dassel­be ausdrü­cken. Man kann versu­chen, in ande­ren Worten verschie­de­ne Aspek­te eines Gesche­hens, also: einer Meta­pher, zu beschrei­ben. Aber es trifft nie genau alles das, was eine Meta­pher eben ausdrückt.


Ich stell mir das mit der Aufer­ste­hung und meinem Leben dann irgend­wie so vor: Die Geis­tes­kraft, Jesus von den Toten aufer­weckt hat, bewegt auch mein Leben. Die Geis­tes­kraft gibt mir Auftrieb, verbin­det mich mit mir selbst und ande­ren Menschen, hinter­fragt mich, lässt mich Liebes­lust und Lebens­glück erfah­ren. Ist bei mir, wenn ich nicht weiß wohin mit mir. Sieht mich, wenn ich das Gefühl habe, niemand sieht mich. Und ich glau­be: Das ist die Geis­tes­kraft, durch die mein Leben nicht verlo­ren geht, wenn es hier mal zu Ende ist. Ich bin gut aufge­ho­ben und mein Dasein kriegt irgend­wann, irgend­wie mal noch eine neue Form. Ohne den ganzen Ballast, den ich hier in meinem Leben mit mir rumtrage.

Und dann ist da diese scary-Seite von der Aufer­ste­hung. Dieses ich checks nicht und es macht irgend­wie keinen Sinn. Ich habe eine Geis­tes­wis­sen­schaft studiert und bin – wie man das eben in Deutsch­land so ist – von einem aufklä­re­ri­schen Denken geprägt. Mein kriti­scher Blick und mein kultu­rel­ler Lebens­raum lässt mich heute schon miss­trau­isch sein gegen­über so spoo­ky unbe­liev­a­ble Kram.


Das Gute ist: Ich bin damit sozu­sa­gen in bester Gesell­schaft. Die Bibel berich­tet: Keiner hat sie gese­hen, die Aufer­ste­hung. Und die drei Frau­en (!), die als erstes den aufer­stan­de­nen Jesus auf dem Fried­hof sehen, erken­nen ihn erstens nicht (sie denken zuerst, er sei der Fried­hofs­gärt­ner); zwei­tens, als sie es checken, rasten sie aus und hauen erst­mal wieder ab. Weil sie mega Angst haben! Weil es so selt­sam ist! Die Aufer­ste­hung, dieses Ding, die Meta­pher ist zu wuch­tig, zu groß, als dass wir offen­bar so rich­tig drauf klar­kom­men können. Ein heili­ger Moment. Faszi­nie­rend, aber uns auch entzo­gen. Kontroll­ver­lust pur. Sie über­steigt, was wir fassen können. Die Meta­pher lässt sich nicht voll­stän­dig erklä­ren, viel­leicht am ehes­ten fühlen. Dass da was passiert. Dass es weiter geht. Angst haben und hoffen, dass alles schon wird, sind hier so eng mitein­an­der verbun­den. Ein biss­chen, wie wenn man bei einer OP sein Leben ande­ren Menschen anvertraut.

Viel­leicht ist „glau­ben“ sowas ähnli­ches. Schwer fass­bar und doch irgend­wie real. Weil es mein ganzes Leben betrifft. Weil es das Leben verän­dern kann. Unfass­bar gut und eben auch ganz schön scary. 


Ich glau­be, ‚glau­ben‘ macht einen Unter­schied in meinem Leben. Und was ist ‚glau­ben‘ ande­res als eine Meta­pher für ‚es Gott abneh­men, dass er kann‘. Kann und auch macht. Ich meine damit: Menschen neue Hoff­nung geben. Verwun­de­te Seelen liebe­voll verbin­den, Körper behut­sam heilen (lassen). Uner­müd­lich Menschen moti­vie­ren, dran zu blei­ben: im Sich Selbst Ernst­neh­men und ande­ren Gutes tun. Einüben, den ande­ren Gutes zu unter­stel­len. Ande­ren und sich selbst vertrau­en. Gott vertrau­en. Und… Tote zum Leben erwecken.


Ich erle­be Gott nicht stän­dig. Aber ich glau­be hin und wieder. Wenn ich mich traue und meinen dunkels­ten Seelen­scheiß auskip­pe. Und Worte mich wieder aufrich­ten. Wenn ich das Gefühl hab: Zu viele Baustel­len in meinem Leben – und dann hilft mir jemand, den nächs­ten Baby­step zu finden. Wenn ich merke: Schei­ße, schon wieder verbockt! Und dann finde ich kurz ein biss­chen Selbst­ach­tung und denke mutig von mir: Probiers wieder!

Und auch wenn es im Leben flowed und es einfach gera­de rich­tig schön ist. Zum Beispiel auf einem Berg­gip­fel. Oder auf ner guten Party. Ich denke mir: Wahr­schein­lich spüre ich Gott nicht stän­dig, weil er einfach die ganze Zeit mit mir ist. Wie mein Atem.

Rahel Perei­ra

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